Tiere gehören nicht unter den Weihnachtsbaum

Sag mal, Lucky, du lebtest schon mit Mama und Papa, bevor Choco und ich dazu kamen. Bist du schon hier geboren?

Nein, ich war ein Weihnachtsgeschenk…
Wie meinst du das? Du warst ein Weihnachtsgeschenk?

So ein Quatsch, Lucky. Katzen sind keine Weihnachtsgeschenke! Wir werden von den Menschen adoptiert, aber nicht verschenkt.

Naja, leider gibt es Menschen, die es toll finden, ein Tier zu verschenken. Das passiert ganz häufig und ist in den meisten Fällen nicht gut.
Warum denn nicht? Es ist doch egal, ob wir adoptiert oder verschenkt werden. Die Hauptsache ist doch, dass wir ein Zuhause haben.
So einfach ist das nicht, Ginger.
Klar ist das so einfach.
Erzähl doch mal Lucky. Wurdest du unseren Menschen zu Weihnachten geschenkt?
Leider nicht. Ich spreche nicht so gerne darüber.
Ach komm Lucky. Erzähl es uns.
Na gut. Als ich geboren wurde, lebte ich mit meiner Katzenmama und meinen Geschwistern bei Menschen, die einfach nicht daran gedacht haben, unsere Mutter kastrieren zu lassen. Die Menschen wollten eigentlich keine Katzenbabys, aber nun waren wir sechs Geschwister da und unsere Katzenmama sorgte gut für uns. Ich erinnere mich noch, wie schön es war, wenn wir Geschwister alle eng beieinander lagen, es war so warm und kuschelig. Als wir ein paar Wochen alt waren, kamen immer häufiger fremde Menschen zu uns und nahmen einfach einen Bruder oder eine Schwester mit. Dann war auch ich an der Reihe. Die fremden Menschen nahmen mich einfach von meiner Mama und meinem letzten verbliebenen Bruder weg und packten mich in eine Kiste. Sie erzählten mir, dass ich ein Weihnachtsgeschenk für ein kleines Mädchen werden soll und dass das Mädchen sich unheimlich darüber freuen würde. Ich hatte einfach nur Angst und mir war kalt ohne meine Mama und meine Geschwister.
Ja, ich erinnere mich auch noch an das Gefühl, als ich plötzlich ganz allein war.
Ein paar Tage blieb ich bei den Menschen, die mich von meiner Mama und meinem Bruder weggeholt haben. Ich habe viel geweint, weil ich allein war, Angst hatte und mir war so furchtbar kalt. Die Menschen haben mir zwar eine Decke gegeben, aber ich fror trotzdem ganz entsetzlich.
Ich hatte keine Angst, als ich zu meiner Familie kam. Sie haben sich ganz lieb um mich gekümmert und Ginger war ja schon dort.
Da hattest du Glück, Choco. Ich war ganz allein. Dann kam der Weihnachtstag und ich wurde in eine dunkle Kiste gesteckt. Dann fuhren wir mit einem Auto. Als wir ankamen hörte ich viele Stimmen von fremden Menschen und wollte einfach nur zurück zu meiner Mama. Irgendwann wurde meine Kiste geöffnet und ein kleines Mädchen jauchzte vor Freude, als sie mich sah. Sie nahm mich mit ihren kleinen Händen hoch und drückte mich an sich. Nach ein paar Tagen hatte ich mich etwas eingelebt in der Familie. Die Menschen waren sehr lieb zu mir, aber mir fehlte ein Katzenfreund, mit dem ich spielen und toben konnte. Ich fühlte mich sehr einsam. Die ersten paar Wochen hat sich das kleine Mädchen sehr lieb um mich gekümmert. Sie hat mit mir gespielt, so gut Menschen eben spielen können, mich gefüttert und dafür gesorgt, dass mein Klo immer sauber war.
Ich war auch ganz allein, bis Choco in unsere damalige Familie kam. Das war wirklich nicht schön, aber als Choco dann kam, wurde es besser. Ich hatte endlich einen Spielkameraden, mit dem ich so richtig auf Katzenart toben konnte. Stimmts Choco?
Ja, du warst sofort mein großer Bruder!
Als es langsam Frühling wurde, ging das Mädchen wieder häufiger mit ihren Freundinnen nach draußen zum Spielen. Manchmal konnte ich sie vom Fenster aus beobachten. Wenn sie zurück nach Hause kam, war sie müde und vergaß immer öfter mich zu füttern (vom Zustand meines Katzenklos möchte ich gar nicht sprechen). Fast jeden Abend musste ich mit leerem Magen einschlafen, in der Hoffnung, dass das Mädchen morgens vor der Schule an mich denken würde.
Oh Lucky. Das muss ja schlimm gewesen sein.
Ja, aber es kommt noch schlimmer.
Was kann denn noch schlimmer sein als ein leerer Magen und ein schmutziges Klo?
Ich hörte die Eltern von dem Mädchen immer häufiger schimpfen, weil die Wohnung nach Katze roch und ich so viel jammerte. Sie drohten dem Mädchen damit, dass sie mich wegbringen würden, wenn sie nicht besser für mich sorgt. Ich wusste zwar nicht, wohin sie mich bringen wollten, aber ich dachte damals noch, dass das vielleicht besser für mich wäre.
Und dann haben sie dich zu unseren jetzigen Menschen gebracht?
Nein. Als es Sommer wurde, wollte die Familie in den Urlaub fahren.
Aber Urlaub ist doch toll. Ich erinnere mich immer wieder gerne an den Urlaub bei Oma!
Ja, der Urlaub bei Oma war toll, aber damals lief es für mich ganz anders. Die Eltern des Mädchens sprachen darüber, dass sie nicht wissen, wo ich bleiben soll, während sie im Urlaub sind und dass das Leben ohne Haustier viel einfacher sei. Irgendwie hatte ich da schon ein ganz ungutes Gefühl in meinem leeren Bäuchlein.
Oh Mann, Lucky. Das klingt nicht gut. Was ist denn dann passiert?
Eines Abends, als das Mädchen schon schlief, kam der Vater und packte mich in eine Box. Er murmelte etwas wie: Tut mir leid, aber du kannst hier nicht bleiben. Zuerst dachte ich, dass er mich vielleicht zurück zu meiner Katzenmama und meinem Bruder bringen würde. Das war ein schlimmer Irrtum.
Hat er dich in ein Tierheim gebracht?
Nein. Ein Tierheim ist zwar auch kein wirklich schöner Ort, aber dort hat eine Katze es wenigstens warm und bekommt zu essen. Außerdem hat man dort die Hoffnung, dass die richtigen Menschen kommen und man wieder in ein Für-immer-Zuhause adoptiert wird. Mir ist es weitaus schlechter ergangen.
Was kann denn noch schlimmer sein?
Er fuhr mit mir eine Weile mit dem Auto. Dann hielt er an und hob die Box, in der ich saß, aus dem Auto. Wir gingen ein paar Schritte in einen Wald. Dort öffnete er die Box und ging zurück zu seinem Wagen. Ich war so verängstigt, dass ich mich erst einmal gar nicht aus der Box heraus traute. Es war bereits dunkel und es roch alles so unbekannt. Ich kuschelte mich in meine Decke und schnurrte mir Mut zu. Irgendwann bin ich dann wohl, trotz meiner großen Angst und meines leeren Bäuchleins, eingeschlafen. Als ich wieder erwachte, wurde es bereits hell. Ich schlich vorsichtig aus meiner Box und sah mich um. In der Nähe war die Straße, wo wir am Abend vorher mit dem Auto angehalten hatten. Dort fuhren jetzt ganz viele Autos und es war ziemlich laut. Ich dachte mir, dass ich einfach nur den Weg zum Zuhause meiner Katzenmama finden müsste, dann wäre ich in Sicherheit. Also ging ich in Richtung Straße los. Ich irrte mehrere Wochen umher, immer auf der Suche nach etwas Essbarem und einen sicheren Unterschlupf. Wenn ich versehentlich in das Revier einer anderen Katze eingedrungen bin, musste ich um mein Leben kämpfen. Ich wurde jeden Tag schwächer und verlor meinen Lebensmut.
Das ist ja furchtbar Lucky!
Ja, es war eine schlimme Zeit. Ich kannte mich draußen doch überhaupt nicht aus und wusste auch nicht, wie man jagt. Deshalb hatte ich ständig Hunger und wurde immer dünner. Als der Herbst kam, wurde es außerdem immer kälter.
Erzähl weiter Lucky. Wie bist du denn dann zu unseren Menschen gekommen?
Als ich schon ganz schwach war und eigentlich nur noch sterben wollte, hat mich eine liebe Frau gefunden und in ein Tierheim gebracht. Dort wurde ich wieder aufgepäppelt und hatte es wenigstens warm.
Du warst in einem Tierheim? Das wussten wir gar nicht. Wie ist es denn da?
Die Tierpfleger dort sind sehr lieb und geben sich viel Mühe, aber sie haben nicht die Zeit sich individuell um jedes Tier zu kümmern. Streicheleinheiten sind eher selten. Aber dort habe ich eine weise alte Katze kennengelernt, die mir erzählt hat, dass ich nicht das einzige Weihnachtsgeschenk bin, das ausgesetzt wurde. Die alte Katze war schon fast ihr ganzes Leben im Tierheim und hat viele andere Katzen kommen und gehen gesehen. Sie erzählte, dass ich Glück habe, weil es bereits wieder Herbst war, als ich ins Tierheim kam. Da war es nicht ganz so voll. Im Sommer haben die Tierpfleger noch viel weniger Zeit, weil das Tierheim dann voll von abgegebenen oder ausgesetzten Tieren ist. Viele Menschen denken einfach nicht darüber nach, dass ein Tier ein Lebewesen ist, das Zeit und Geld kostet.
Ich bin so froh, dass ich nie in einem Tierheim war oder ausgesetzt wurde!
Ja, das war keine schöne Erfahrung. Aber jetzt haben wir ja alle drei ein gutes Zuhause und Mama und Papa sind verantwortungsvolle Menschen, die uns niemals abgeben oder aussetzen würden.

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