In einem kleinen Dorf lebte eine alte Frau mit schneeweißem Haar in einem Häuschen mit wunderschönem Garten. Jeden Morgen und jeden Abend goss sie voller Liebe ihre Pflanzen und erfreute sich an der Schönheit der Natur. Aber nicht nur den Garten pflegte sie, sondern auch eine kleine schwarze Katze, die kein Zuhause hatte. Die Katze war so scheu, dass sie sich zwar gerne das für sie bereitgestellte Futter holte, aber dann sofort wieder verschwand. Auch durfte die alte Frau ihr nicht zu nahe kommen, da sie dann sofort auf und davon war. Gerne hätte die alte Frau der kleinen schwarzen Katze ein richtiges Zuhause gegeben, aber das Tier muss mit Menschen schlimme Erfahrungen gemacht haben, weshalb sie kein Vertrauen fassen konnte.
Ein paar Straßen weiter lebte Florian, der Sohn der alten Frau. Auch er besaß ein Häuschen mit Garten, der fast genauso schön war, wie der Garten der alten Frau. Da er sich oft einsam fühlte, wollte er gerne einer Katze ein liebevolles Zuhause schenken. Aber es musste die richtige Katze sein. Nun fragt ihr euch wahrscheinlich, was denn eine falsche Katze ist. Natürlich ist eine Katze eine Katze – da gibt es kein richtig oder falsch, aber nicht jede Katze passt zu jedem Menschen. Florian wusste genau, wie seine Katze aussehen und welchen Charakter sie haben sollte. Er wollte eine dreifarbige Katze. Zutraulich und verschmust. Er stellte sich vor, wie er abends mit einem Glas Wein und seiner dreifarbigen Katze auf dem Schoß vor dem Kamin sitzt.
Florian suchte die umliegenden Tierheime ab. Er setzte sich zu den Katzen und begann ihnen mit leiser Stimme vorzulesen. Die eine oder andere Katze kam und schnupperte an ihm, aber keine blieb in seiner Nähe und gewann sein Herz. So blieb Florian allein, suchte aber regelmäßig die Tierheime ab.
Eines Tages wurde die alte Frau sehr krank und verstarb. Florian war unheimlich traurig, weil er sich nun ganz allein auf der Welt fühlte. Da er wusste, wie sehr seine Mutter ihren Garten und die kleine schwarze Katze geliebt hat, pflegte er weiterhin ihren Garten und fütterte die Katze. Wenn ein Käufer für das Häuschen seiner Mutter kam, hörte er sich immer genau an, wie dieser den Garten gestalten wollte und fragte, ob er auch die kleine schwarze Katze weiter füttern würde. Er wollte unbedingt, dass sowohl der Garten als auch die Katze im Sinne seiner Mutter versorgt werden.
Nach einiger Zeit fand sich ein junges Paar, das das Häuschen kaufen wollte. Die beiden verliebten sich sofort in den wunderschönen Garten und freuten sich, dass auch eine Katze dazu gehörte. Florian war erleichtert, ein so nettes Paar gefunden zu haben und machte sich wieder auf die Suche nach seiner dreifarbigen Katze.
Endlich war es soweit! Er saß wieder einmal in einem Tierheim und las den Katzen aus einem Buch vor, als eine dreifarbige Katze sich näherte und – natürlich nach gründlichem Beschnuppern – an seiner Seite ausstreckte. Er begann vorsichtig das weiche Fell der Katze zu streicheln, was sie mit einem lauten Schnurren dankte. Die Adoption war schnell erledigt und Florian brachte sie nach Hause – er nannte sie Pixel.
Nachdem Pixel sich eingelebt hatte wurde klar, dass sie zwar eine sehr liebe Katze war, aber definitiv keine Schoßkatze. Trotzdem liebte Florian seine Pixel über alles. Doch Pixel hatte andere Pläne. Sie hielt sich meist bei den Nachbarn ein paar Häuser weiter auf, die bereits zwei eigene Katzen besaßen und nahm deren Couch in Beschlag. Erst am späten Abend kehrte Pixel heim zu Florian, holte sich ein paar Streicheleinheiten und verschwand am nächsten Morgen wieder zum Nachbarn.
An einem regnerischen und kalten Montagmorgen fuhr Florian die Straße zum Supermarkt entlang. Da sah er etwas Dunkles im Straßengraben. Er achtete nicht weiter darauf und erledigte seine Einkäufe. Als er zurück fuhr, lag es immer noch da. Florian hielt seinen Wagen an und sah, dass es sich bewegte. Sofort holte er eine Decke aus dem Kofferraum und näherte sich langsam. Es war eine kleine schwarze Katze, die wohl von einem Auto angefahren worden war. Er hob sie vorsichtig auf und fuhr so schnell er konnte zum Tierarzt mit ihr. Die Ärmste war so schwer verletzt, dass sie in der Praxis bleiben musste. Der Tierarzt war sich nicht sicher, ob das Tier überleben würde.
Am Abend saß Florian am Kamin und musste immer wieder an die verletzte schwarze Katze denken. Also beschloss er am nächsten Tag in die Tierarztpraxis zu fahren und in Erfahrung zu bringen, wie es der Katze geht und ob ein Besitzer ausfindig gemacht wurde.
Der Tierarzt führte ihn zu einem Käfig, in dem die kleine schwarze Katze lag. Ein Bein war bandagiert und an dem anderen Bein hing ein Tropf. Ganz klein und schwach sah das arme Tier aus. Nach der überstandenen Nacht war der Tierarzt zuversichtlich, dass die Katze wieder gesund wird. Allerdings teilte er Florian auch mit, dass die Katze keinen Chip trug und somit kein Halter ermittelt werden konnte. Außerdem vermutete der Tierarzt, dass die kleine schwarze Katze bereits seit längerer Zeit allein auf der Straße gelebt hat, da ihr Allgemeinzustand sehr schlecht war. Florian blickte in den Käfig. Die kleine schwarze Katze hob langsam ihr Köpfchen und sah ihm direkt in die Augen. Dann fiel ihr Kopf wieder zurück auf die weiche Unterlage und sie schlief erschöpft ein.
Nachdenklich fuhr Florian zurück nach Hause. Dieser Blick der schwarzen Katze verfolgte ihn noch in seinem Träumen. Da stand sein Entschluss fest. Er rief den Tierarzt an und erklärte, dass er für die Behandlungskosten aufkommen und die Katze nach ihrer Genesung zu sich nehmen wird.
Einige Tage später holte Florian die kleine schwarze Katze nach Haus und sie erhielt den Namen Pepper. Die erste Woche verbrachte Pepper in einem für sie liebevoll eingerichteten Raum. Florian setzte sich oft zu ihr und las ihr aus einem Buch vor, denn Pepper war sehr ängstlich und scheu. Sie zuckte jedes Mal zurück, wenn sie seine Hand auf sich zukommen sah. Das machte Florian traurig, doch er wusste, dass er viel Geduld aufbringen musste, um das Herz und das Vertrauen des kleinen Wesens zu gewinnen.
Nachdem Pepper ganz genesen war, begann er Pixel mit ihr bekannt zu machen. Pixel blieb nun wieder in Florians Haus und war einfach großartig. Sie begann sich um die kleine Pepper zu kümmern, war immer in ihrer Nähe und schlief ganz nah bei ihr. Florian freute sich, dass die beiden Katzen sich so gut verstanden und hoffte, dass Pepper irgendwann auch ihm vertrauen würde.
Eines Abends saß Florian mit seinen beiden Lieblingen auf der Veranda und las in einem Buch. Als er aufsah stand das nette Paar, das das Häuschen seiner Mutter gekauft hatte, vor dem Gartentor. Sie erzählten Florian, dass die kleine schwarze Katze seit einigen Wochen nicht mehr zum Füttern gekommen ist und fragten, ob er sie vielleicht gesehen hätte. Florian überlegte kurz, ob seine Pepper vielleicht die kleine schwarze Katze seiner verstorbenen Mutter sein könne. Diesen Gedanken gab er aber schnell auf, da er Pepper weit weg in der nächsten Ortschaft in der Nähe des Supermarktes gefunden hatte. Außerdem war die kleine schwarze Katze seiner Mutter so scheu, dass sie nie einen Menschen in ihre Nähe gelassen hat. Pepper war zwar auch scheu, aber sie lief nicht weg. Deshalb verneinte er die Frage und hoffte, dass die kleine schwarze Katze eine andere alte Frau mit schneeweißen Haaren gefunden hat, die sie regelmäßig füttert.
Es dauerte mehr als sechs Monate bis Florian das erste Mal das weiche Fell von Pepper berühren durfte. Das war ein ganz besonderer Moment. Florian wagte kaum seine Hand zu bewegen, die sanft auf Peppers Köpfchen lag. Die Katze sah ihn aus großen grünen Augen an. Er hatte das gleiche Gefühl wie damals in der Tierarztpraxis, als sie kurz den Kopf gehoben hat, um ihn anzusehen. Es fühlte sich an, als würde Pepper direkt in seine Seele schauen. Nach und nach wurden diese Momente immer häufiger und eines Abends saß Florian mit einem Glas Wein und einer schwarzen Katze auf dem Schoß vor dem Kamin und sah liebevoll zu seiner dreifarbigen Pixel hinüber.
Was Florian nicht wusste, war der Grund, warum die verletzte schwarze Katze ihn in der Tierarztpraxis angesehen hat. Sein Geruch hat sie an jemanden erinnert, der gut zu ihr war – an eine alte Frau mit schneeweißen Haaren, die ihr in einem wunderschönen Garten jeden Morgen und jeden Abend Futter hingestellt hatte.