Katzen Symposien 1

Eine Geschichte über das Geld-Verdienen, das Streben nach Glück und wie schlimm es ist, einen Floh ins Ohr gesetzt zu bekommen – unter anderem.

Viel Vergnügen!

„Wohin geht Miri nachts bloß? Hast du dich das nie gefragt?“ Anna starrte aus dem Fenster und versuchte inmitten der dunkel prasselnden Regentropfen etwas zu erkennen. „Eigentlich nicht“, antwortete Frank. Er schob ein „Sie wird schon klar kommen“ hinterher.

Vor nicht allzu langer Zeit war Frank und seiner Familie der Zugang ins berühmte Katzen-Hain gewährt worden und so zogen sie in der Hoffnung auf ein besseres, glücklicheres Leben ins nahe Umland. Im Zentrum des Katzen-Hains lebte niemand und angeblich kannten nur Katzen den Eingang dorthin.

„Aber Miri darf doch noch gar nicht direkt in den Hain, oder?“, hakte Anna sicherheitshalber nach. Frank rechnete schnell: „In 7 Monaten und 3 Tagen erst.“

„Aber warum geht sie dann überhaupt raus?“, verstummte Anna.

Auch Frank sagte nichts.

Annas Fenster

Nach einer Weile ermahnte er schließlich: „Komm! Wir müssen schlafen. Die Lichter sind längst aus und morgen wird ein langer Tag.“

Währenddessen schlich Miri auf spätem Laub mit ihrer Nase nur knapp über dem Boden durchs Geäst und suchte fleißig weiter. „Hm, eine Ameise!“, „Oh, Rattengeruch an Pizzaresten!“ oder „Huch, zwei Fledermäuse und eine Eule haben sich vor Kurzem hier gestritten“ waren nur einige von Miris Gedanken dabei.

Wenn man sie fragte, sagte sie stets, sie wolle bloß die nähere Umgebung erkunden, um vorbereitet zu sein und alle Fluchtwege zu kennen, falls die Roten Greten jemals wieder übers Hain herfallen würden. In Wahrheit jedoch suchte sie heimlich nach dem verborgenen Eingang zum Hain, den sie schon finden wollte, als sie gerade einmal drei war.

Vermuteter Eingang zum Hain

Aber jedes Mal, wenn Miri glaubte, den Eingang oder zumindest einen Hinweis darauf gefunden zu haben und sich immer geräuschloser voran tastete, kreiste ihre Aufmerksamkeit den erhofften Ort dermaßen ein, dass sie keine Augen und Ohren für irgendetwas anderes mehr übrig hatte; dann pflegte einer der beiden sonst schwer zu unterscheidenden Raben Chab und Cheb eine Dose oder ein ähnliches Stück Müll, das sie eben finden konnten, aus geringer Höhe auf Miri plumpsen zu lassen, um sie dann lachend auszukrächzen: „Suchst du etwa immer noch nach Hain? Ha Ha? Hast wohl nicht genug? Ha Ha!“

Doch einmal tat es Miri so weh, dass es den Tränen nah aus ihr heraus platzte: „Es gibt ihn, den Hain. Mein Großvater wusste es. Er hat mir alles darüber erzählt“, was ein bisschen gelogen war.

Cheb lässt eine Dose fallen

Da landete Chab, dem aufgrund eines Arbeitsunfalles jeweils die mittlere Vorder-Kralle an beiden Füßen fehlte, schlacksig auf einem Tannenast, krächzte einmal laut und fuhr mit überlegener Stimme fort: „Wenn es dein Großvater schon wusste, warum dann hat er dir nicht gesagt, wie du dorthin gelangst, he?“

Miri musste ein oder zwei Male schlucken, um den aufkommenden Wellen der Traurigkeit etwas entgegen zu setzen: „Er wollte es mir sagen. ‚Aber erst am letzten Tag‘, sagte er immer. Der letzte Tag war aber leider DER Tag, wenn du weißt, was ich meine.“

„DER Tag? Der, an dem die Roten Greten über die Dörfer hergefallen sind und“, fing Chab zu fragen an, als ihn Miri schnell mit einem „Ja, DER Tag“ unterbrach.

Chab setzte an, seufzte kurz, machte eine lange Pause und setzte erneut an: „Hör mal, Kleines! Wir sind Vögel und haben alles im Blick. Wenn es diesen Hain wirklich gäbe, hätten wir das doch längst entdeckt, meinst du nicht?“

Miri wusste nicht, was sie sagen sollte.

Miri versteht die Welt nicht mehr

Am nächsten Morgen wachte Frank als erster auf. Das war meistens so. Schon ein kleines, aber ungewohntes Geräusch konnte ihn auf eine Art wach werden lassen, als sei er bereits seit Stunden wach gewesen.

Er schaute sich um, suchte nach Miri und ließ sich zurück in sein Kopfkissen sinken, als er sie zusammengerollt auf dem Fenstersims schlafen sah.

Miri war ebenfalls wach und machte sich Sorgen darüber, was passieren könnte, wenn sie den Hain niemals finden würde oder die Geschichten darüber nicht wahr wären; Sie wollte es bloß nicht zeigen, also tat sie so, als würde sie schlafen.

Es war verboten, mit anderen Katzen über den Hain zu reden. Daher hatte ihr Großvater immer bis zum ‚letzten Tag‘ warten wollen und Miri nichts erzählt.

Miri tut so, als würde sie schlafen

Am siebten Geburtstag würde einigen glücklichen Katzen Baba Lupa im Traum erscheinen – die große Behüterin des Wissens und letzte Katze aus dem Zeitalter der Miau – und einem den Weg nach Hain weisen. Aber Miri wollte, ja sie musste es vorher schon wissen und stimmte die Geschichte über Baba Lupa überhaupt?

Spät am Abend, als Anna und Frank im Badezimmer verschwunden waren, machte Miri sich erneut auf den Weg. Sie schob den Riegel beiseite und presste mit ihrem Köpfchen das Fenster auf bis sie draußen auf einer kleinen Stelle Gras landete.

Cheb kicherte Chab zu: „Sieh mal! Die kleine Miri macht sich wieder auf den Weg“. Aber Chab war nachdenklich geworden: „Lass mal gut sein, Cheb. Vielleicht macht ihre Suche ja irgendeinen Sinn, den wir noch nicht verstehen.“

Cheb schaute Chab an, öffnete den Schnabel, riss seine Augen auf, spie ein „Ach ja?“ und hüpfte rückwärts auf das Ende des Astes zu. Dann macht er einen kurzen Luftsprung und schoss im Sturzflug auf Miri zu bis er kurz vor dem Aufprall seine Federn spreizte und in einem staubigem Gewirbel landete. Miri sprang erschrocken zurück.

„Chab meint, deine Suche mache irgendeinen Sinn, den wir nicht verstehen“, fing Cheb ohne Umschweife an.

Cheb im Sturzflug

Miri setzte sich und überlegte eine kurze Zeit, was sie sagen sollte, während Cheb mit weit geöffnetem Schnabel hin und her stapfte und auf eine Art Antwort wartete.

„Nun“, begann sie, „als ich noch ganz klein war und immer neugieriger wurde, hat ein Erwachsener aus Versehen vom ‚Hain‘ gesprochen, obwohl es ja verboten ist, darüber zu reden. Als ich nachfragte, wurden alle ganz ernst und wiesen mich zurecht, ich solle ruhig sein, sonst würde mich Baba Lupa in ihrem furchtbaren Zorn aus meinen Träumen und so auch aus dem Leben reißen.“

Mittlerweile war auch Chab gelandet und hatte es sich auf einem Baumstamm, der vor Jahren schon zusammen mit einem lauten Knall und einem grellen Lichtblitz vom Himmel gekracht war, gemütlich gemacht.

Miri redete weiter: „Mein Großpapa liebte mich sehr. Als er sah, dass es mir fast den Verstand raubte, nicht über den Hain sprechen zu dürfen, aber alles darüber wissen zu wollen, fasste er eines Tages, als wir allein zu Hause waren, Mut und erzählte mir davon.“

Miri und ihr Großvater

„Von da an erzählte er mir immer wieder immer mehr; nur Kleinigkeiten. Aber eines sagte er immer wieder: ‚Miriluna, mein Engel, eines merke dir: Nur wenn du es bis zum Hain schaffst, werden du und deine Familie überleben können. Hörst du? Nur dann!'“.

Cheb, der sich von Geburt an nur ein paar Sekunden lang konzentrieren konnte und inzwischen eingeschlafen war, schnarchte kurz auf, bevor er sich glücklich in den Schlaf zurück schmatzte.

Chab dagegen hatte aufmerksam zugehört. „Versteh mich bitte nicht falsch“, er holte tief Luft, „aber wenn es verboten ist, darüber zu reden, warum hat dein Großvater trotzdem darüber geredet? Und du sagst immer Hain, aber wir leben doch alle hier im Hain, oder?“

„Ja“, erwiderte Miri, „wir alle leben in Hain, aber es gibt doch drei verschiedene Hain.“

„DREI?“, fragte Chab im höchsten Maße argwöhnisch wie verdutzt.

„Ja“, fuhr Miri fort, „DIE Hain, DAS Hain und DER Hain.“

Chab schwieg und hörte weiter zu.

„Wir sind in DAS Hain gezogen: Das Land, das uns umgibt. DIE Hain sind die Orte, an denen mächtige Katzen wie Baba Lupa mit uns im Schlaf reden, um uns zu beeinflussen; na unsere Schlafplätze eben. Diese Orte wechseln ständig, glaub mir.“

Baba Lupa

Chab nickte unwissend.

„Und DER Hain ist der Ort, den ich suche. Es heißt, er läge im Zentrum aller Anstrengung UND Hains. Wenn man Glück hat, erscheint Baba Lupa im Traum und zeigt einem, wie man da hin kommt. Aber niemand weiß so richtig, wie das geht, was dieses Glück ist oder wie man es erlangt. Aber mein Leben hängt davon ab und wer weiß schon, ob es Baba Lupa ausgerechnet mir sagt.“

Miri schaute sorgenvoll versunken in einen Augenwinkel und vergaß für kurze Zeit, wo oder warum sie war.

Das war selbst für einen Raben ziemlich viel.

„Schon gut“, besann Miri sich und den Raben, „Nicht so schlimm, wenn du es nicht verstehst. Schlaf erstmal eine Nacht darüber. Ich muss langsam zurück und wachen am Sims. Morgen sehen wir weiter.“

Kapitel 2 ist in Bearbeitung und folgt…

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