Kratzverhalten

Ich kratze, also bin ich

Wenn eine Katze aus einem Schläfchen erwacht, gähnt sie ausgiebig, streckt sich, geht hinüber zum Kratzbaum und schlägt genüsslich ihre Krallen in das Sisal. Das gleiche Verhalten beobachtet man bei wilden Katzenarten, wie z. B. Tiger, Serval oder Ozelot. Einer Katze keine Kratzflächen zur Verfügung zu stellen bedeutet, ihr das grundlegende Verhalten zu entziehen.

Jeder Katzenbesitzer benötigt etwas, woran die Katze sich die Krallen schärfen kann. Wenn man sich sein Wohnzimmer einrichtet, startet man mit einer Couch. Übertragen auf Katzen ist ein Kratzmöbel das grundlegende Möbelstück. Sei es die Couch, die Fensternischen oder die Lautsprecherboxen: Das vordringlichste Bedürfnis einer Katze ist das Kratzen und wenn ihr nicht zur Verfügung gestellt wird, was sie braucht, dann weicht sie auf andere Gegenstände in ihrer Umgebung aus. Dieses Verhalten kostet vielen Katzen ihr Zuhause oder resultiert (z. B. in Nordamerika) in das grausame chirurgische Entfernen der Krallen.

All dies muss nicht sein. Man muss auch nicht akzeptieren, dass die Katze sich als Innenarchitekt beschäftigt. Es ist möglich, einen Kompromiss zu schließen, indem der Katze ausreichend Kratzflächen angeboten werden und sie lernt, dass es in Ordnung ist, wenn sie daran ihre Krallen wetzt anstatt an der Couch.

Um einer Katze die Kratzfläche zur Verfügung zu stellen, die ihre Bedürfnisse erfüllt, muss man zuerst verstehen, warum und woran sie kratzt.

Katzen kratzen aus verschiedenen Gründen:

Ein Zeichen setzen

Wahrscheinlich ist ein sichtbares Zeichen zu setzen der wichtigste Grund für das Kratzen. Sie zeigen damit: „Ich bin hier!“ Außerdem hinterlassen ihre Pfoten eine Duftnote mit wichtigen Informationen (z. B. Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand).

Nagelpflege

Eigentlich dient das Kratzen nicht zum Schärfen der Krallen, sondern zum Entfernen der alten Außenhülle. Dies ist wichtig, um die Krallen gesund zu halten. Deshalb ist es manchmal notwendig die Krallen der Katze zu schneiden, wenn sie selbst sie nicht mehr ausreichend wetzt.

Recken und Strecken

Wenn man eine Katze beobachtet, die ihre Krallen in den Kratzbaum schlägt und den Rücken streckt, sieht man den Wert eines guten „Stretchings“. Eine Katze, die gerade ihre Krallen wetzt, scheint sich im Zustand der Glückseligkeit zu befinden.

Stressabbau

Die Katze wetzt sich ihre Krallen, wenn sie aufgeregt oder wütend ist. Sie vertreibt ihre Frustration indem sie ihre Krallen in den Kratzbaum haut als würde sie mit ihm kämpfen. Auch eine spielende Katze trägt gerne einen Scheinkampf mit dem Kratzbaum aus.

Weil es ein natürliches Verhalten ist, kann man eine Katze nicht vom Krallenwetzen abhalten, aber man kann ihr beibringen, dass sie ihre eigenen Möbel dafür benutzen soll. Dazu nimmt man die Samtpfote von seinem eigenen Möbelstück weg, wenn sie daran kratzt und setzt sie zu ihrem Möbelstück, an dem sie kratzen darf.

Die richtigen Kratzmöbel anbieten

Wie sieht die natürliche Umgebung einer Katze aus? Ob in der Wüste oder im Wald, Katzen finden genügend Möglichkeiten zum Krallenwetzen. In unseren Wohnungen müssen wir herausfinden, woran unsere Katzen am liebsten kratzen.

„Ich habe meiner Katze einen schönen Kratzbaum gekauft, aber sie benutzt ihn nie“ hört man viele frustrierte Katzenbesitzer sagen. Einige glauben, dass die Katze in einem persönlichen Rachefeldzug die Möbel zerkratzt – nichts kann weiter von der Wahrheit entfernt sein. Es liegt einzig und allein an den bereitgestellten Kratzmöbeln. Wenn diese die Bedürfnisse der Katze erfüllen in Bezug auf Material, Stabilität und Ort, wird die Katze sie auch zum Krallenwetzen nutzen.

Ist der Kratzteppich oder das Sisalseil zu straff um die Krallen hineinzuschlagen? Ist der Kratzbaum oder –teppich zu kurz und die Katze kann ihren Rücken nicht strecken? Ist der Kratzbaum unstabil und wackelt, wenn die Katze versucht ihn zu bearbeiten? Aus der Katzenperspektive betrachtet sind die falschen Kratzmöbel keine angemessenen Optionen, wenn die Ecke des Sofas groß genug, stabil und der Stoff geeignet ist, um die Krallen hinein zu schlagen.

Der beste Weg herauszufinden welche Art von Kratzmöbel die Katze bevorzugt, ist sie zu beobachten. Dann kann man der Katze die Kratzmöbel zur Verfügung stellen, die ihre persönlichen Bedürfnisse stillen. Manche Katze bevorzugen vertikale, andere mögen lieber horizontale Oberflächen. Außerdem muss man wissen, welches Material, Beschaffenheit und Struktur von der Katze bevorzugt wird. Anstatt nach etwas zu suchen, was zur Wohnungseinrichtung passt, sollte lieber Ausschau nach etwas gehalten werden, was die Bedürfnisse der Katze erfüllt.

Der Kratzbaum muss mindestens einen Meter hoch und absolut standfest sein. Außerdem kann man verschiedene Oberflächen zur Verfügung stellen, zum Beispiel einen großen Ast in einer Ecke des Raums fixieren.

Für Katzen, die bevorzugt an einer bestimmten Stelle des Teppichs kratzen, kann man einen Läufer auf diese Stelle legen und diesen von Zeit zu Zeit umplatzieren.

Damit die Katze ihre eigenen (Kratz-) Möbel nutzt, sollten diese an Orten stehen, an denen sie sich gerne aufhält. Um das Interesse der Samtpfote noch zu steigern, empfiehlt es sich, die Kratzmöbel mit Katzenminze einzureiben und den „Katzenspielplatz“ in der Nähe einzurichten. Ein am Kratzbaum befestigtes Spielzeug animiert die Katze zusätzlich ihr Kratzbedürfnis daran zu befriedigen. Auch eine Belohnung, wenn sie an den „richtigen“ Stellen kratzt, hält die Katze von der menschlichen Einrichtung fern.

Von den falschen Objekten fernhalten

Manche Leute empfehlen die Katze mit Wasser zu bespritzen oder Dosen aufeinander zu schlagen, wenn die Katze an Möbel oder Tapeten kratzt. Allerdings gibt es gute Gründe die Katze nicht zu bestrafen oder zu ängstigen, wenn sie an Möbeln kratzt:

    • Die Katze wird einen Zusammenhang zwischen der Bestrafung und der Präsenz ihres Menschen herstellen. Alles was sie daraus lernt ist, nicht zu kratzen, wenn ihr „Dosenöffner“ zugegen ist.
    • Bestrafung belastet das Vertrauen, das zwischen dem Menschen und seinem Tier besteht. Die Katze kann nicht verstehen, warum ihr „Dosenöffner“ plötzlich schimpft und sie erschreckt während sie doch nur ihrem natürlichen Drang nachgibt. Sensible Katzen können sogar Angst vor dem Menschen entwickeln.
  • Bestrafung eines natürlichen Verhaltens kann einen Konflikt bei dem Tier auslösen. Stell dir vor, es passiert immer etwas unangenehmes, wenn du gähnst und du kannst nie wissen, ob das Gähnen eine entspannende oder beängstigende Erfahrung wird. Es würde dich nicht davon abhalten gähnen zu müssen, aber es würde dir Beklemmung bereiten, wann immer du gähnen musst.

Stattdessen sollte verhindert werden, dass die Katze an Möbelstücken kratzt, während man sie an den Kratzbaum gewöhnt. Platziere vorübergehend Barrieren vor die Stellen, an denen die Katze besonders gern kratzt. Lege Teppichbrücken oder stelle Sperrholzplatten an diese Orte, während die Katze trainiert wird.

Eine andere Art der Abschreckung funktioniert über den Geruchssinn, entweder mit speziellen Produkten (Abschrecksprays) aus der Tierhandlung oder einfach ein Schälchen mit scharfen Gewürzen in die Nähe der Orte stellen, an denen die Katze nicht kratzen soll. Damit kann man die Möbel weniger behaglich für die Katze machen. Eine gute Möglichkeit ist auch doppelseitiges Klebeband auf die Oberflächen zu kleben. Katzen hassen das Gefühl, dass etwas an ihren Pfoten klebt. Klebeband kann an einigen Orten sehr gut helfen, kann aber auch die Möbel ruinieren.

Die Kratzmöbel wechseln

Wenn die Kratzmöbel anfangen zu verschleißen, sollten diese nicht gleich durch ein neues Stück ersetzt werden. Die Kratzspuren wirken in der Katzensprache wie ein Neon-Schild. Je zerfetzter der alte Kratzbaum ist, umso lieber wird die Katze ihn haben. Bevor dieser endgültig entsorgt wird, sollte der neue Kratzbaum neben den alten gestellt werden, bis die Katze beide gerne nutzt.

Jede Art hat fundamentale verhaltensbezogene Bedürfnisse und das Kratzmarkieren ist bei Katzen eines der wichtigsten. Wenn einer Katze nichts zur Verfügung gestellt wird, woran sie dieses Grundbedürfnis stillen kann, dann ist dies ein starker Grund, dass das Tier als Konsequenz leiden wird.

Die Grundbedürfnisse des Tieres, das auf deiner Couch sitzt oder auf deinem Schoß schnurrt, sind noch immer fest verwurzelt in der Wildnis. Anstatt das wilde biologische Erbe der Katze zu bekämpfen, sollte man sich wünschen und genießen, dass es ausgedrückt wird. Lerne zu schätzen, dass dieses Tier dich genug liebt und dir vertraut, um mit dir zu leben. Du kannst deine Dankbarkeit und Zuneigung zeigen, indem du erkennst und verstehst, dass deine Katze eine Katze sein muss. Eine Katze würde wohl einfach sagen: „Ich kratze, also bin ich!“


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